Smart Aquaponics: Wasserqualität

Wasserqualitätmessung automatisieren mit Sensortechnik und Microcontroller
15. Oktober 2024 durch
Smart Aquaponics: Wasserqualität
Research Studios Austria FG mbH

Dieser Beitrag richtet sich an Aquaponik-Betreiber mit etwas technischem Know-How und Interesse daran, das Testen der Wasserqualität zu automatisieren. Wir zeigen, wie es möglich ist, mit günstigen Microcontrollern und Sensoren eine Realtime-Kontrolle für die wichtigsten Werte einzurichten.


Relevante Wasserqualitätsparameter

Die Wasserqualität einer Aquaponik-Anlage ist essenziell für das Wohlergehen aller beteiligten Organismen und einen effizienten Betrieb. Es folgen ein genauer Blick auf die wichtigsten Wasserqualitätsparameter, die für einen erfolgreichen Betrieb unerlässlich sind. Welche Werte sollen diese im Optimalfall annehmen und wie werden Sie üblicherweise erhoben?

Wassertemperatur

Die Temperatur des Wassers beeinflusst sowohl die Fische als auch die Pflanzen. Eine zu niedrige oder zu hohe Temperatur kann die Verdauung der Fische und die Aufnahme von Nährstoffen bei den Pflanzen beeinträchtigen.

Die Optimalwerte können je nach Fischart variieren, generell ist aber eine Temperatur zwischen 18°C und 28°C ideal. Tropenfische wie Tilapia benötigen aber beispielsweise wärmere Temperaturen zwischen 24°C und 28°C, während Forellen kühleres Wasser zwischen 10°C und 18°C bevorzugen. Kritisch ist es für die meisten Fische, wenn die Temperatur unter 10°C fällt bzw. über 32°C steigt, aber auch hier gibt es Unterschiede je nach Art. Ist die Wassertemperatur dauerhaft zu niedrig sollte über eine Wasserheizung nachgedacht werden - ist sie eher zu hoch, empfiehlt sich eventuell die Verwendung von Schattierungsnetzen oder der Einbau eines Kühlungssystems wie z.B. eines Verdunstungskühlers. 

Für das Eruieren der Wassertemperatur kann ein handelsübliches Wasserthermometer verwendet werden.

pH-Wert

Der pH-Wert beschreit das Säure-Basen-Gleichgewicht des Wassers und ist ein weiterer wichtiger Faktor für das Wohlbefinden der Fische und Pflanzen einer Aquaponikanlage. 

Hier sind sich Fische und Pflanzen allerdings uneinig: Für optimalen Wachstum benötigen die meisten Pflanzen ein leicht saures Wasser (zwischen 6,6-6,8), während Fische eine pH-neutrale Umgebung von 7,0 lieber haben. Als Kompromiss wird für die Aquaponik daher meist ein pH zwischen 6.8 und 7.0 angestrebt. Bei einem zu niedrigen Wert (normalerweise unter 6,0) können die Pflanzen Nährstoffe nicht mehr aufnahmen. Wird der pH-Wert zu hoch (über 7,5), führt das zu Stresssymptomen bei den Fischen. Üblicherweise sinkt der pH-Wert in einer Aquaponikanlage mit der Zeit, weshalb ab und zu eine basische Lösung wie Kalziumkarbonat hinzugefügt werden muss; bei zu hohem pH kann z.B. Essigsäure oder Phosphorsäure hinzugefügt werden. 

Für die manuelle Messung kann man günstige Aquarium-Teststreifen verwenden, die oft auch andere Werte wie Karbonathärte, Nitrat und Nitrit messen.

Stickstoff (Ammoniak, Nitrit, Nitrat)

Die Fische in der Anlage scheiden Ammoniak (NH₃) aus, das durch Bakterien in Nitrit (NO₂-) und schließlich in Nitrat (NO₃-) umgewandelt wird, welches die Hauptnährstoffe der Pflanzen ausmacht. 

Optimalerweise liegt der Ammoniak- und Nitritgehalt unter 0,5 mg/l - der Nitratgehalt sollte sich zwischen 5 und 50 mg/l befinden. Ein zu hoher Ammoniak-/Nitritgehalt im Wasser ist einer der Hauptausfallgründe für Aquaponikanlagen. Zu hohes Nitrat (> 80mg/l) hat nicht so drastische Konsequenzen, können aber das Pflanzenwachstum beeinträchtigen. Dies kann durch regelmäßige Filterreinigung und Wasserwechsel vorgebeugt werden. Auch eine zu geringe Anzahl an Pflanzen, zu hohe Anzahl an Fischen oder übermäßige Fütterung können den Nitratwert erhöhen. 

Nitrat und Nitrit können mit handelsüblichen Streifentests erhoben werden.

Gelöster Sauerstoff

Der Sauerstoffgehalt im Wasser ist sowohl für die Fische als auch für die Bakterien, die den Nährstoffkreislauf im Biofilter aufrecht erhalten, sehr wichtig. 

Der optimale Wert für den gelösten Sauerstoff (Dissolved Oxygen, DO) liegt normalerweise bei mindestens 5 mg/l. Zu wenig Sauerstoff und die Fische und Bakerien geraten unter Stress und können sterben. Je mehr Sauerstoff im Wasser, desto schneller wachsen die Fische und Pflanzen, aber es bilden sich auch schneller Algen. Sauerstoff kann durch verschiedene Weisen in das Wasser eingebracht werden, beispielsweise mit einer Luftpumpe und Ausströmersteine oder mit einem Luftheber. 

Normalerweise wird der Sauerstoffgehalt mit Tröpfchentest, die man in Aquariumshops bekommt, gemessen.

Durchfluss

Indirekt für die Wasserqualität verantwortlich ist auch der Wasserdurchfluss. Ein hoher Durchfluss sorgt dafür, dass alle Fische und Pflanzen in der Anlage gleichmäßig mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt sind. 

Das gesamte Wasser im System sollte im Idealfall mindestens einmal pro Stunde komplett zirkulieren, also bei einer gesamten Wassermenge von 1000 Litern sollte der Durchfluss min. 1000l/h betragen. Ist der Durchfluss zu gering, funktioniert die Filterung nicht optimal und schädliche Substanzen sammeln sich schneller an. Der Durchfluss wird normalerweise manuell berechnet und kann durch die Stärke der Wasserpumpe reguliert werden, es ist aber auch wichtig, dass die Verrohrung im System die erforderlichen Wassermengen in dieser Geschwindigkeit durchlassen kann.


Automatisierung

Die manuelle Messung dieser Werte braucht Zeit und ist oft ungenau. Mithilfe von diversen Sensoren, ein bis zwei Microcontrollern und etwas Software lassen sich diese Werte auch elektronisch auslesen. Das spart nicht nur Zeit und ist genauer, sondern man hat die Werte auch schneller abrufen, und je nach Setup auch von der Ferne.

Sensoren

Es gibt viele Möglichkeiten, wo man Sensoren für diese Werte käuflich erwerben kann - eine günstige und DIY-freundliche Variante sind zum Beispiel die Geräte von AtlasScientific. Diese werden auch in Kits mit praktischem Zubehör vertrieben, was sehr hilfreich ist für weniger Technikaffine.

  • Für die Wassertemperatur gibt es billige Sensoren wie den PT100, den es schon um wenige Euro zu kaufen gibt, und die sehr stabil und über lange Zeit, genaue Werte liefern.
  • pH-Sensoren sind etwas teurer und haben den Nachteil, dass sie stets in einer Flüssigkeit gelagert werden müssen, um nicht ihre Funktionalität zu verlieren.
  • Stickstoffe sind schwieriger durch Sensoren zu messen. Ionenselektive Sensoren, die Nitrat oder Nitrit messen können, sind sehr teuer. Eine einfachere Variante, den Nährstoffgehalt anzunähern, ist durch Messung des EC-Wertes (Electric Conductivity - Elektrische Leitfähigkeit). (Erklärung EC und Relation zu Nährstoffen/Verschmutzung).
  • Gelöster Sauerstoff kann ebenfalls durch Sensoren gemessen werden, diese kommen in zwei Varianten, galvanisch und optisch. Optische Sensoren funktionieren um einiges besser, aber sind auch sehr teuer.
  • Der Durchfluss lässt sich durch Durchflusssensoren (Flow Meter) messen, die in die Verrohrung eingebaut werden. Dabei gibt es günstigere Varianten mit Rädern, die aber schadensanfälliger sind oder teurere Geräte, die mit Ultraschall funktionieren.

Folgende 5 Kits decken die wichtigsten Wasserqualitätsparameter ab und reichen für eine Hobbyanlage durchaus aus:

Diese Kits kommen mit den Mess-Sonden, Isolierten Carrier Boards, die sicherstellen, dass der Stromkreis vor Störungen, Erdschleifen und schädlichen Spannungen geschützt ist, Circuit Boards zur Umwandlung der Werte in digitale Daten, Jumper-Kabeln und Kalibrierlösungen, wenn diese für den jeweiligen Sensor nötig sind.

Microcontroller

Für das Kalibrieren der Sensoren und Auslesen der Messwerte brauchen Sie noch Geräte mit der Fähigkeit, serielle Daten über Jumper-Kabeln von den Carrier Boards, wo die Sensoren verbunden sind, auszulesen. Dafür eignen sich Einplatinencomputer wie ein Raspberry Pi oder Microcontroller-Boards wie Arduino. Wir haben hier Microcontroller von Adafruit - das Feather Huzzah ESP8266 -verwendet, welche klein und handlich sind und auch Wlan-Funktion haben.  In unserem Setup benötigen wir nur zwei Microcontroller, einen für den Durchfluss, da der Sensor hier etwas weiter weg platziert ist und einen für die anderen Sensoren.

In unserem Setup werden die Microcontroller alle 5 Sekunden die Sensordaten über das MQTT-Kommunikationsprotokoll aus. MQTT ist ein leichtgewichtiges Kommunikationsprotokoll, das ideal für IoT-Anwendungen geeignet ist. Eine verständliche Einführung dazu finden Sie in den offiziellen MQTT-Dokumentationen.

Die gemessenen Daten können entweder lokal auf einem Server gespeichert oder in Echtzeit über Weboberflächen visualisiert werden. Eine Möglichkeit, die Daten einfach und intuitiv darzustellen, ist die Verwendung der Open-Source-Software OpenHAB. Diese unterstützt MQTT und bietet ein flexibles Dashboard, auf dem Sie die Wasserqualität in Ihrer Aquaponikanlage jederzeit überwachen können. Hier finden Sie eine Anleitung, wie sie MQTT-Geräte in ihr Dashboard integrieren können.

Montageanleitung
Schritt 1 - Aktivierung von I²C:

Wir verwenden das I²C-Protokoll zur Übertragung der Sensordaten. Das I²C-Protokoll ist effizient, da es mehrere Sensoren über nur zwei Datenleitungen (SDA und SCL) mit dem Microcontroller verbindet. Die Zuordnung der Daten zum richtigen Sensor wird dann durch Adressen sichergestellt, welche in der Datenübertragung mitgeschickt werden. Die Circuit Boards von AtlasScientific sind allerdings standardmäßig auf UART eingestellt. Folgen Sie am besten dieser Anleitung, um die Circuit Boards auf I²C umzuändern. Bleiben Sie dabei bei den Standard-I²C-Adressen der einzelnen Sensoren.

Schritt 2 - Verkabelung:

Verkabeln Sie den Microcontroller, die Carrier Boards, die Circuit Boards und die Sensoren wie in den Diagrammen. Für Verzweigungen können Sie Kabel zusammenlöten oder Breadboards verwenden.

Wasserqualität-Sensoren (Temperatur, pH, EC, DO)


Jeder Sensor wird über den BNC-Adapter mit einem Carrier Board verbunden. Darauf werden die entsprechenden Circuit Boards gesteckt. Schließlich wird jedes Carrier Board mit dem Microcontroller verbunden, dabei gibt es immer 4 Kabel: eine Stromzufuhr (3V/VCC, rot), eine Erdung (GND, schwarz), eine serielle Datenleitung (SDA, gelb) und eine serielle Taktleitung (SCL, grün). 

Durchfluss-Sensor


Der Durchflusssensor wird über das mitgelieferte Connector Board mit dem Circuit-Board verbunden. Auch hier gehen dann dieselben 4 Kabel zum Microcontroller.

Schritt 3 - Setup am Computer:

Schließen Sie den Mikrocontroller über ein Micro-USB-Kabel an Ihren Computer an. Laden Sie die Arduino IDE herunter und installieren Sie die nötigen Bibliotheken für den ESP8266. Eine Anleitung dazu finden Sie zum Beispiel unter diesem Link.

Schritt 4 - Kalibrierung:

Nun müssen Sie alle Sensoren (außer den Temperatur- und den Durchflusssensor) kalibrieren. Benutzen Sie dafür die Arduino-IDE und die von Atlas-Scientific bereitgestellten Standardskripte für I²C. Laden Sie für einen der Sensoren ein Skript auf den Microcontroller und benutzen Sie den Serial-Monitor der IDE, um die Befehle für die Kalibrierung einzugeben. Danach wiederholen Sie den Prozess für die anderen beiden Sensoren.

Hier finden Sie Video-Anleitungen, wie die Sensoren zu kalibrieren sind. Diese werden allerdings jeweils mit der Atlas-Monitoring-Software durchgeführt. Um die Kalibrierung stattdessen mit den I²C-Skripten über den Serial-Monitor durchzuführen, suchen Sie die entsprechenden Befehle für die einzelnen Schritte unter "I²C -  Calibration" in den offiziellen Circuit-Board-Dokumentationen.

Schritt 5 - Inbetriebnahme:

Sobald die Sensoren kalibriert sind und korrekt arbeiten, können Sie die Mikrocontroller so programmieren, dass sie sich mit Ihrem WLAN-Netzwerk und einem MQTT-Broker verbinden. Verwenden Sie dafür am besten unsere Skripte. Wenn Sie keinen eigenen Broker aufgesetzt haben, gibt es verschiedene öffentliche MQTT-Broker, wie z.B. HiveMQ. Die Sensoren senden nun ihre Daten alle 5 Sekunden mit den folgenden Topics:

  • aquaponics/water/temperature
  • aquaponics/water/ph
  • aquaponics/water/ec
  • aquaponics/water/do
  • aquaponics/water/flow


Bildergalerie

In dieser Bildergalerie können Sie sehen, wie eine fertige Installation aussehen kann.

Falls Sie Zugang zu einem 3D-Drucker haben, können Sie auch gerne die diversen Bauteile ausdrucken, die wir für unser Setup gestaltet und gedruckt haben. Dabei handelt es sich um einen Käfig für die Sensoren, welcher diese vor den Fischen schützt, sowie einer hutschienenkompatiblen Box, in der der Microcontroller und alle Carrier-Boards für die Wasserqualitätssensoren einfach angebracht werden können. Die 3D-Modelle finden Sie bei unseren Informaterialien hier.


Viel Spaß beim Nachbauen!


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